Zwischen gespielter Zimtschneckenharmonie und Wermut-Eskalation – Die MuT-AG des Gymnasiums Dornstetten zeigt „Der Gott des Gemetzels“
Während am 25. Juli auf dem Schulhof des GyDos die letzten Vorbereitungen für das abendliche Sommerfest liefen, erlebten die Zuschauer in der voll besetzten Aula eine eindrucksvolle und kurzweilige Inszenierung von Yasmina Rezas Kammerspiel „Der Gott des Gemetzels“.

In der Gesellschaftssatire von 2006 begegnen sich zwei Elternpaare nach einem scheinbar harmlosen Streit ihrer Zöglinge zu einer schlichtenden Aussprache. Was harmlos als Geplänkel rund um Floristenkunst (die Tulpen!), Zimtschneckenrezepte (Kardamom!) und Kunstbildbände (der Bacon!) beginnt, nimmt schnell einen fatalen Verlauf und offenbart immer tiefere Abgründe der Figuren und ihrer Beziehungen: Der Anwalt Albrecht als Vertreter der mobilen Dauerkommunikation und Vermögensberaterin Annette als auf sich allein gestellte Multitasking-Managerin der Familie treffen auf gepflegtes Chaos, auf gelebte reflektierte Pädagogik in Form von Michelle und Veronique (Vero!). Und dann gibt es da noch Opa – den Don Quijote der Zimtschnecken und immer dann nach seinem „Töchterlein“ rufend, wenn es am wenigsten passt… Schnell wird klar, dass der Streit, der Zahnverlust (entstellt????) und die Frage nach Strafe und Wiedergutmachung nicht von allen gleich gesehen wird. Nach und nach fällt die bürgerliche Fassade und dahinter erscheint „der Gott des Gemetzels“. Dass sich die Eltern der beiden Raufbolde klar antagonistisch positionieren, war zu erwarten, schnell jedoch wird deutlich, dass auch die beiden Beziehungen intern ähnlich ruinös sind wie das Gebiss des kleinen Brunos. Albrecht als Vater und Ehemann („Fass mich nicht an!“) wird ebenso kritisiert wie Michelles Einstellung zum Leben („Man ist immer allein!“) und Veros pädagogisch ambitioniertes pathetisches Schwadronieren. Dabei bilden sich durch gegenseitige Schuldzuweisungen wechselseitige Allianzen und am Ende kann scheinbar nur noch der Wermut helfen – alles ist buchstäblich zum Kotzen. Eine harmonische Auflösung ist dem Publikum allerdings nicht vergönnt – stattdessen erhält es einen tiefen Einblick in die Scheinheiligkeit, Heuchelei, unterschwellige Aggression und Verlogenheit zwischenmenschlicher Beziehungen.
Das Stück lebt von kraftvollen pointierten Dialogen und hier zeigten die fünf Schauspielerinnen und Schauspieler der Theater-AG unter Leitung von Wibke Moog nicht nur beeindruckende Textsicherheit. Sie fanden sich scheinbar mühelos ein in ihre Rollen, die von ihrem Leben als Achtklässler und Kursstufenschüler so weit entfernt sind: (überforderte) Eltern, ambitionierte Karrieremenschen, nostalgisch in der Vergangenheit schwelgende Frustrierte – und nicht zuletzt ein verwirrter Opa. Im Programmheft war von „diebischer Freude“ die Rede, die die Inszenierung dem Ensemble bereitet habe. Wenn der Rollator quietschte, neurologische Nebenwirkungen und Aktionärshauptversammlungen in der Blumenvase landeten, Tulpen durch die Gegend geschmettert wurden und der sozialverträgliche Schwips zu Verbrüderung (und vollen Schüsseln) führte, wurden diese Spielfreude und das große Talent der Schülerinnen und Schüler sichtbar. Und so zeigte Wibke Moog am Ende nicht nur ihren Dank, sondern auch großen Stolz auf „ihre“ AG. Diese lobte prompt: Die Probenarbeiten seien trotz intensiver Arbeit voll Humor und gegenseitiger Wertschätzung gewesen. Zusätzlich sind sie das Fundament von überzeugenden und bereichernden Theatervorstellungen. „Das ist die Hölle“, wird gegen Ende des Stücks gestöhnt – nein, „Der Gott des Gemetzels“ am GyDo war ein grandioses Spektakel.